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Der Autor Lars Spannagel schildert in einem kürzlich veröffentlichten Tagesspiegel-Artikel seine Sichtweise als Berliner zum Thema E-Scooter in Städten. Darin kritisiert er sehr harsch sowohl Fahrer von E-Scootern als auch gesetzliche Vorgaben von Seiten der Politik.
So bezweifelt Spannagel unter anderem, dass Geschwindigkeitsregeln auf dem Gehweg eingehalten werden. Auch das Unfallrisiko sieht er deutlich höher als bei Fahrrad & Co. Vor allem aber würden Betrunkene die E-Scooter in die Spree werfen! Aber eins nach dem anderen. Wir wollen uns seiner Sorgen einmal annehmen und zu dem Artikel Stellung nehmen – übrigens auch aus Sicht eines Berliners. 😉

Es wird enger auf Bürgersteigen
Mehr E-Scooter bedeuten auch mehr Verkehr. Dass dieser nicht zwangsläufig auf den Straßen, sondern auch auf dem Bürgersteig landen kann, hat Spannagel clever erkannt. Seiner Meinung nach wird es schnell eng werden auf den Bürgersteigen. Aber ist das wirklich so?
Letztendlich sind die Bürgersteige gerade in der Berliner Innenstadt relativ breit. Bis auf den Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS e.V.) dürfte es eigentlich niemanden weiter stören, wenn neben Longboard-, Skateboard-, Inline Skate- und Hoverboard-Fahrern noch ein paar Tretroller-Fahrer dazukommen. Eine gewisse Rücksicht der E-Scooter-Fahrer auf langsamere Verkehrsteilnehmer (Fußgänger) muss dabei natürlich gewährleistet werden. Das setzt der gesunde Menschenverstand voraus. Zumal jeder Roller-Fahrer selbst zu Fußgänger wird, wenn er absteigt.
Dass Touristen, die bislang mit Fahrrädern die Straßen verstopft haben, jetzt mit Rollern in Rudeln die Gehwege unsicher machen […].
Für Spannagel scheint es äußerst unbefriedigend zu sein, dass Touristen mit Fahrrädern die Stadt erkunden. Das ist äußerst schade, denn das Fahrrad ist eine umweltschonende und entspannte Möglichkeit, sich ein Bild von der Stadt zu machen. Sollen Touristen sich lieber in ein Taxi oder einen Sightseeing-Bus setzen und die Straßen damit noch viel mehr verstopfen? Sie können ja gerne mal neben so einem dieselbetriebenen Sightseeing-Bus aus den 90er-Jahren einen tiefen Atemzug nehmen. Da wird Ihnen ganz schnell klar, wie angenehm Touristen auf Fahrrädern eigentlich sind. Oder erwarten Sie, dass Touristen sich im Sommer bei 30 Grad in U-Bahn und Bus quetschen, um Ihnen als Autofahrer die Straßen frei zu halten, Herr Spannagel?

In Massen geparkte E-Scooter
Dass die großen Massen an E-Scootern die Gehwege zuparken ist ein amüsanter Gedanke. Wenn man bedenkt, wie stark die Zahl an Autos täglich steigt und wie viel Platz ein einzelnes Auto einnimmt. Zum Vergleich: Auf die Fläche eines geparkten Autos passen etwa 10 bis 15 E-Scooter. Ist es da wirklich richtig, den Roller-Fahrer für sein “großes” Platzbedürfnis zu kritisieren?
In Massen geparkte Roller werden den Bürgersteig vor Kneipen in der Oranienstraße verstopfen. Betrunkene werden Scooter aus Witz nachts in den Landwehrkanal oder in die Spree werfen […].
Vielleicht sind Sie schon mal in Prenzlauer Berg abends unterwegs gewesen. Dabei wird Ihnen aufgefallen sein, dass auch jetzt schon “in Massen” Fahrräder auf Bürgersteigen vor Kinos und Kneipen abgestellt werden. Sehen Sie hier jeden Abend Betrunkene mit Fahrrädern schmeißen? Ich zumindest habe das bislang noch nicht wahrgenommen.

Fehlende polizeiliche Kontrollen
Laut Spannagel wird es auf den Berliner Straßen niemanden interessieren, ob gesetzliche Vorgaben für Elektro-Scooter eingehalten werden. “Kontrollen? Haha.“, scherzt der Autor. Tatsächlich ist es aber so, dass man in Berlin gefühlt an fast jeder dritten Ampel auf zwei Fahrradpolizisten trifft. Und wer abends schon einmal ohne ausreichende Beleuchtung unterwegs war, der wird sich am nächsten Abend genau überlegen, ob er das Bußgeld von 20 Euro nochmal bezahlen will. So wenige Kontrollen sind es dann doch gar nicht.
Es wird Verletzte geben
Nun, es ist nie schön, wenn es im Straßenverkehr zu Unfällen kommt – egal welchen Schweregrades. Und sicherlich wird es mit E-Scootern früher oder später auch dazu kommen – so wie es mit Fahrrädern, Motorrädern, PKW, Bussen, Taxis auch passiert. Aber sollte man deshalb eine moderne Mobilitätsform verbieten oder einschränken, die weitaus sicherer und umweltschonender als die meisten anderen ist? Es sollte doch viel mehr das Ziel sein, dafür zu sorgen, dass ein Bewusstsein für die alltäglichen Risiken im Straßenverkehr geschaffen wird – besonders bei unseren heranwachsenden Verkehrsteilnehmern. Auch die Politik steht hier klar in der Verantwortung, sichere Rahmenbedingungen zu setzen. In Österreich ist die Teilnahme von E-Scootern im Straßenverkehr bereits klar geregelt.

Größtes Risiko sind laut dem Autor des Artikels die hohen Geschwindigkeiten von bis zu 20 km/h. Jeder, der in Berlin schon mal einen foodora-Fahrer auf seinem Rennrad mit knapp 40 km/h an sich vorbei ziehen sah, wird für eine Scooter-Geschwindigkeit von 20 km/h äußerst dankbar sein. Zwischen Fahrradfahrern und Fußgängern fügt sich ein E-Scooter geschwindigkeitstechnisch ideal ein. In einem Punkt geben wir Spannagel aber recht: Roller fahren ohne Helm ist gefährlich – genau wie Fahrrad-Fahren ohne Helm. Wir hätten nichts gegen eine gesetzliche Helm-Pflicht einzuwenden.
Sind E-Scooter vielleicht doch gar nicht so schlimm?
Insgesamt ist es doch sehr fragwürdig, auf welcher Grundlage im Tagesspiegel-Artikel so negativ über E-Scooter berichtet wird. Jeder, der schon einmal mit einem E-Scooter gefahren ist, merkt schnell, dass es eine recht sichere und jederzeit überschaubare Form der Fortbewegung ist, die sich vom Fahrrad-Fahren gar nicht mal so sehr unterscheidet. Tretroller vereinen alle Vorteile der E-Mobilität: Zeitersparnis, Geldersparnis, Luftverbesserung, Platzersparnis. E-Scooter sind noch im Anfangsstadium – so wie es Autos und Fahrräder auch einmal waren. Sie deshalb von den Straßen zu verbannen, wäre äußerst schade.
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